Thema – Ländlicher Raum / dezentrale Szene
Präsenzmeeting 11. 06. 2021 – 19:30 Uhr in Passentin
Impulsvortrag: „Ländliche Räume oder wie kommt die Kultur in die Fläche?“
von Marieken Matschenz,
Freie Bildende Künstlerin aus Neustrelitz und Mitglied des Kunst- und Kulturvereins simsalArt
Impulsvortrag als pdf-Datei >>
Zoom-Meeting 07. 05. 2021 – 10:00 Uhr – Vortrag und Diskussion
Außer Mitgliedern aus den Verbänden Netzwerk Freie Szene Saar und LAFT-MV, waren Ricarda Hildebrandt vom Kultusministerium sowie zeitweise Peter Gillo vom Regionalverband Saarbrücken per Zoom zugegen.
Ab und zu schaltete sich „Prometheus“ ein und resümierte über den einprogrammierten Zelltod, den Krebs, das Sterben – und über die unsterbliche Seegurke, die von den Göttern vergessen wurde. Gespielt von Nina Schopka mit Ausschnitten aus „Der große Marsch“ von Wolfram Lotz.
Als eine der fünf Vorstandsfrauen des LAFT-MV begann Dörte Kiehn mit einer Einstufung der Situation in M-V, weitere Mitglieder ergänzten ihre Ausführungen.
Im Gegensatz zu den Freien Theatern im Saarland, die zumeist in Saarbrücken auftreten, spielen die Bühnen des Landesverbands Freier Theater M-V häufig in ländlichen Gegenden, da M-V ein ausgeprägtes Flächenland ist. In letzter Zeit ist der ländliche Raum auch in der Politik in den Fokus gerückt. Ein Grund dafür könnte der enorme Stadtzuzug der letzten Jahre sein. Wohnungsmangel und explodierende Mieten sind die Folgen. Will man dies bremsen, müssen die Familien attraktive Angebote auf dem Land vorfinden. Ein Bedarf an Theatervorstellungen besonders für Kinder ist durchaus vorhanden, entsprechende Strukturen noch nicht überall.
Die erste Frage der Kulturschaffenden sollte allerdings nicht lauten „wie“ komme ich in die Fläche, sondern „warum“ will ich dorthin und „was“ will ich dort erreichen. Welchen Mehrwert schaffe ich für die Region, das Publikum oder auch für Kolleg:innen. Je genauer diese Ziele herausgearbeitet sind, desto klarer wird, welche Kooperationsmöglichkeiten in Frage kommen. Gemeinden verfügen über Dorfgemeinschaftshäuser, in manchen Dörfern agieren private Kulturvereine, vielleicht gibt es eine rege Kirchengemeinde …
Passende Partner müssen nicht unbedingt aus der klassischen Kulturszene stammen, z. B. ruft der LAFT-MV dieses Jahr gemeinsam mit dem Heimatverband ein Festival auf Platt ins Leben.
Es gibt leider auch abgelegene Gegenden, in denen man all das nicht vorfindet. Hier können kleine Kitas und Schulen die Gagen oft nicht aufbringen und bei freien Veranstaltungen sind angemessene Eintrittsgelder nicht zu erreichen. Die nächste Stadt ist weit entfernt und damit jegliches kulturelle Angebot.
Einigen Mitgliedern des LAFT-MV ist es wichtig, genau dort hinzugehen. Tut man es nicht, übernehmen eventuell politische Randgruppen die Regie und bestimmen langfristig die Gesinnung. Insofern ist kulturelle Bildung auch politische Bildung.
Mit dem Vorpommernfestival hat Birgit Schuster in einem solchen Gebiet Pionierarbeit geleistet, es findet bereits zum dritten Mal statt. Ein ähnliches Beispiel aus einem anderen Bundesland ist das jährliche Theaterfestival im Elbe-Elster-Kreis.
Die Opernale, INSTITUT für Musik & Theater in Vorpommern bringt sogar Opern, sowie vielfältige Musik- und Theater-Angebote in Schulen und Scheunen, Kirchen und Gutshäuser. Wenn die Inhalte überzeugend sind, lässt sich mit Durchhaltevermögen und Kontinuität etwas aufbauen.
Die meisten Mitglieder des LAFT-MV leben selbst auf dem Land, sind also Teil der Landbevölkerung. Das muss man wollen und die Leute mögen. Die Gage besteht oft aus Eintrittsgeldern, die Spielorte sind manchmal überraschend. Mobile Bühnenkonzepte, die sich flexibel an unterschiedlichste Örtlichkeiten anpassen lassen, haben sich bewährt, um den eigenen theaterwürdigen Raum in verschiedenen Situationen selbst zu kreieren.
Beim Netzwerk Freie Szene Saar tauchte die Frage auf, wie sich die Bühnen des LAFT-MV unter diesen Umständen finanzieren.
Es gibt eine Einigung auf eine Mindestgage, die möglichst nicht unterschritten werden soll.
Kleine Einrichtungen können für eine Vorstellung zusammengelegt werden. Es wird auf Fördervereine von Kitas oder Schulen hingewiesen, oder angeregt, sich an ansässige Firmen zu wenden, die unterstützen könnten. Manche Sparkassen haben einen entsprechenden Fond.
2021 gibt es erstmalig eine Auftrittsförderung aus Restbeständen vom Land, die 100 € pro Vorstellung beisteuert.
Ein Großteil der LAFT-MV Mitglieder hat sich weitere Standbeine geschaffen, in dem sie unterrichten, Kurse / Workshops geben, Regie führen oder Ausstattungen bauen. Andere spielen nur zum Teil in M-V und gehen deutschlandweit auf Tournee.
Viele Strategien des LAFT-MV lassen sich für das Netzwerk Freie Szene Saar nicht eins zu eins umsetzen. Allein die Fläche ist nicht vergleichbar, pro Bühne in M-V stehen über 1000 qkm zur Verfügung, im Saarland sind es gerade mal 83 qkm. Während ein großer Teil der M-V-Bühnen für Kinder spielt, richten sich die Inszenierungen der Saarland-Bühnen eher an Erwachsene. Die meisten LAFT-MV-Mitglieder haben Proberäume und Werkstätten am Haus, in Saarbrücken dagegen mangelt es an entsprechenden Räumlichkeiten.
In diesem Zusammenhang erklärte Peter Gillo die Funktion des Regionalverbandes, welcher Veranstaltungen im Schloss organisiert. Hier werden allerdings selten die regionalen freien Künstler engagiert. Wer dort auftreten will, muss Miete, Techniker und Hausmeister selbst bezahlen.
Beim deutsch- / französischsprachigen Festival Perspectives für zeitgenössische Bühnenkunst wird die ansässige Freie Szene ebenfalls wenig beteiligt.
Daher denkt das Netzwerk Freie Szene Saar seit einiger Zeit über ein Produktionshaus nach, was in der konzentrierten städtischen Kulturlandschaft sicher eine Bereicherung wäre.
Zum Schluss des Meetings gab es eine Einspielung von der Übergabe des Gastgeschenkes. Das Netzwerk Freie Szene Saar hatte sich aus Mangel an Meer einen Binnenleuchtturm gewünscht – und ihn auch bekommen.



